Oft wurde bereits über die Frage “Rente oder Kapital” geschrieben und bekanntermassen gibt es keine generelle Antwort darauf. Diese Entscheidung hängt sehr stark von der individuellen Situation ab und muss daher immer einzeln beurteilt werden.
Ausschlaggebend sind vor allem die steuerlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Belastung durch die Einkommens-, Vermögens- und Kapitalleistungssteuer. Die Höhe der Einkommens- und Vermögenssteuer hängt vom jeweiligen Wohnsitz ab und wie hoch das restliche steuerbare Einkommen bzw. Vermögen ist. Die Kapitalleistungssteuer wird nur beim Kapitalbezug von Pensionskassen-, Freizügigkeits- und 3a-Geldern fällig und hängt ebenfalls von den jeweiligen Steuersätzen des Wohnortes ab.
Neben den steuerlichen Aspekten können auch gesundheitliche Gründe den Entscheid beeinflussen. Besteht eine verminderte Lebenserwartung, z.B. durch eine bestehende Krankheit, dann drängt sich unter Umständen ein Kapitalbezug auf.
Wie attraktiv ist die BVG-Rente?
Um eine entsprechende Kalkulation vornehmen zu können, muss der eigene Grenzsteuersatz (siehe Exkurs) und der Umwandlungssatz seiner Pensionskasse bekannt sein. In unserem Beispiel beträgt der Umwandlungssatz mit 65 Jahren 5.5 % und der Grenzsteuersatz beim Rentenbezug 35 %.
Vorhandenes BVG-Guthaben | 1’000’000 |
Ein Umwandlungssatz von 5.5 % ergibt eine Altersrente von | 55’000 |
Abzüglich Steuern 35 % (55’000 x 35 %) | -19’250 |
Netto-Altersrente nach Steuern | 35’750 |
Somit müsste rund 28 Jahre lang eine Rente nach Steuern bezogen werden, damit das für die Rentenbildung eingesetzt Kapital ausbezahlt worden wäre. Mit anderen Worten wird erst ab Alter 93 ein Nettoertrag nach Steuern erwirtschaftet.
Wie attraktiv ist der Kapitalbezug?
Beim Kapitalbezug stellen sich ebenfalls Fragen welche vorgängig geklärt werden müssen. Wie hoch ist die Kapitalleistungssteuer, wie wird das Kapital nach dem Bezug angelegt und wie sieht die Einkommens- und Vermögenssteuer in Bezug auf die gewählte Geldanlage aus. Auch dazu ein kleines Rechenbeispiel mit einer angenommenen Kapitalleistungssteuer von 8 %.
Vorhandenes BVG-Guthaben | 1’000’000 |
Abzüglich Kapitalleistungssteuer von 8 % | -80’000 |
Kapitalbezug nach Steuern | 920’000 |
Soll nun anstelle der vorherigen Rente ein Kapitalverzehr mit jährlich CHF 35’750 stattfinden, dann würde das vorhandene Kapital knapp 26 Jahre lang ausreichen. Knapp mit 91 Jahren wird also das Kapital aufgebraucht sein.
Ist nun Rente oder Kapital besser?
Gemäss den vorgenommenen Kalkulationen ist die BVG-Rente klar im Vorteil, da diese lebenslänglich bezahlt wird. Die gleich hohe jährliche Entnahme aus dem Kapitalbezug endet dagegen knapp mit 91 Jahren. Es gibt aber noch zwei wichtige Faktoren, welche bisher noch nicht berücksichtigt wurden.
Rendite
Bei den angestellten Kalkulationen muss beachtet werden, dass es sich bei der BVG-Rente um eine Maximalrente handelt, wo bereits eine fixe Verzinsung im Umwandlungssatz eingerechnet wurde. Bei der freien Rente handelt es sich dagegen um einen reinen Kapitalverzehr ohne Rendite. Selbstverständlich kann das Geld auch im freien Vermögen angelegt werden. Fairerweise muss aber auch festgehalten werden, dass die Vermögenssteuer in dieser Kalkulation fehlt.
Kapitalerhalt
Das Kapital reicht in beiden Fällen bis über das 90igste Lebensjahr hinaus, was die statistische Lebenserwartung von Frau und Mann deutlich übertrifft. Somit müsste man sich zwangsläufig die Frage stellen, was mit dem Kapital passiert, wenn die versicherte Person vorher verstirbt. Diese Frage ist absolut zentral, da oftmals der grösste Teil des Vermögens im BVG angelegt ist. Im Todesfall kommt weiterhin eine Ehegattenrente i.d.R. im Umfang von 60 % zur Auszahlung. Verstirbt auch der Ehegatte, dann verfällt das restliche Kapital zu Gunsten der Stiftung. Beim Kapitalbezug ist dies nicht der Fall. Die Erben kommen in den Genuss des nicht verbrauchten Kapitals.
Die folgende Grafik zeigt die Kumulation der bereits bezogenen Renten und einer allfälligen Rückgewähr des nicht verbrauchten Kapitals im jeweiligen Alter. Bis Alter 90 ist der Kapitalbezug im Vorteil, danach die BVG-Rente.
Stirbt die versicherte Person z.B. mit 85 Jahren und bekommt der überlebende Ehegatte daraufhin eine Altersrente im Umfang von 60 %, dann nimmt die Attraktivität des Kapitalbezugs weiter zu:
Was ist nun unsere Empfehlung bezüglich «Rente oder Kapital»?
Bei der Beurteilung «Rente oder Kapital» ist immer ein Gesamtbild der finanziellen Situation zu erstellen. Es ist absolut entscheidend, wie hoch der finanzielle Spielraum jedes einzelnen ist. Verfügt die Person über wenig Kapital und die Renten aus 1. und 2. Säule reichen nach der Pension gerade so aus, dann ist ein Kapitalbezug wohl kaum zu empfehlen. Die Sicherheit, dass das Geld nicht ausgeht, ist in dieser Situation höher zu gewichten.
Umso höher dieser finanzielle Spielraum jedoch wird, desto höher fällt der mögliche Kapitalbezug aus. Oftmals wird bei Gutverdienern eine BVG-Rente in kleinerem Umfang empfohlen und der Rest wird als Kapital bezogen. Sind neben der AHV-Rente auch ein hoher Eigenmietwert und allenfalls sogar Mieteinnahmen aus einer Renditeliegenschaft zu verteuern, dann kann durchaus ein Kapitalbezug von 100 % sinnvoll sein.
Selbstverständlich muss aber auch immer der psychologische Aspekt in die Beratung miteinbezogen werden. Nicht jede versicherte Person mit entsprechender Risikofähigkeit will auch die Verantwortung eines Kapitalbezugs auf sich nehmen!
Exkurs Grenzsteuersatz
Der Grenzsteuersatz besagt, wie viel von einem zusätzlichen Einkommen für die Einkommenssteuer weggeht. Erwirtschaftet jemand ein zusätzliches Einkommen von CHF 1’000 und erhöht sich dadurch die Einkommenssteuer um CHF 350, dann ergibt dies einen Grenzsteuersatz von 35 %. Da die Einkommenssteuertarife der Kantone, Gemeinden und des Bundes mit einer Progression ausgestaltet sind, steigt dieser Grenzsteuersatz mit steigendem Einkommen immer steiler an bis irgendwann der maximale Grenzsteuersatz erreicht wurde.
Quelle: Roth und Gygax